Vom Nein 2021 zum neuen Anlauf 2025
Im März 2021 lehnte die Schweizer Stimmbevölkerung die Einführung einer elektronischen Identität (E-ID) mit deutlichen 64,4 % Nein-Stimmen ab. Hauptgrund war damals, dass private Unternehmen die E-ID hätten herausgeben sollen – ein Szenario, das bei vielen Skepsis hervorrief.
Mit dem neuen Gesetz, das im September 2025 zur Abstimmung kommt, liegt die Verantwortung nun klar beim Bund: Er stellt die E-ID aus und betreibt die technische Infrastruktur. Der Wechsel vom privatwirtschaftlichen zum staatlichen Modell ist die zentrale Änderung – die Debatte um Chancen und Risiken bleibt jedoch brisant.
Abstimmung September 2025
Mit dem geplanten Schweizer E-ID-Gesetz steht die Schweiz an einem digitalen Scheideweg. Die E-ID, ein elektronischer Identitätsnachweis, soll es künftig ermöglichen, sich im Internet vollständig digital auszuweisen und Geschäfte mit Behörden und Unternehmen einfacher abzuwickeln, beispielsweise um ein Bankkonto zu eröffnen oder einen Führerausweis zu bestellen. Befürworter – darunter Bundesrat und Parlament – betonen, dass die staatlich ausgegebene und betriebene E-ID Transparenz, Sicherheit und den grösstmöglichen Schutz der Privatsphäre gewährleisten und die digitale Souveränität der Schweiz stärken soll. Sie wird als freiwillig und kostenlos angepriesen, wobei der Bund versichert, alle Dienstleistungen weiterhin auch analog anzubieten.
Kritisiert wird, dass jede Nutzung der E-ID gegenüber privaten Unternehmen gespeichert werden könnte, was zu „grossen Mengen sensibler Daten und einem entsprechenden Missbrauchspotenzial“ führt. Die Verwendung eindeutiger Kennziffern an jeder E-ID ermögliche die Nachverfolgbarkeit des Verhaltens der Bürgerinnen und Bürger und berge Risiken wie Manipulation, Diskriminierung und Überwachung. Die Kritiker warnen sogar vor der Entstehung eines „gläsernen Bürgers“, insbesondere in Kombination mit digitalem Zentralbankgeld, und einem Verlust des Rechts auf analoges Leben.
Digitalzwang statt Freiheit
Die E-ID wird in einer staatlichen Wallet-App wie der Swiyu-App gespeichert, oft nur auf Smartphones mit Kryptoprozessor nutzbar. Das schliesst ältere oder günstigere Geräte aus. Kritiker sehen darin eine Benachteiligung technisch weniger versierter oder einkommensschwächerer Personen.
Zwar schreibt das Gesetz keine feste Technologie vor – was Updates erleichtert –, doch das kann bedeuten, dass Nutzer Geräte regelmässig austauschen müssen, um kompatibel zu bleiben. Das treibt den Konsum an und kann zum „App-Zwang“ führen.
Sicherheit ist nie absolut
Kein digitales System ist unangreifbar. Auch staatliche IT war in der Vergangenheit von Sicherheitslücken betroffen. Zwar soll der Quellcode der Vertrauensinfrastruktur offengelegt und extern geprüft werden, doch bleibt – wie bereits erwähnt – die Sorge bestehen, dass sensible Nutzungsdaten doch bei privaten Stellen landen könnten.
Der lange Weg nach dem Verlust
Was passiert, wenn das Smartphone mit der E-ID verloren geht oder gestohlen wird? Die Regelung ist klar: «Wer sein Smartphone verliert oder wechselt, muss eine neue E-ID beantragen». Dies ist kein trivialer Prozess und kann, wie die Erfahrung mit herkömmlichen Ausweisdokumenten zeigt, langwierig sein. Es beinhaltet nicht nur den Ersatz des physischen Geräts, sondern auch den erneuten Antragsprozess, der eine Identitätsprüfung erfordert, entweder online durch das Bundesamt für Polizei (fedpol) oder persönlich an einer designierten Stelle. Bei der Online-Identitätsprüfung können sogar biometrische Daten erhoben werden. Der Verlust des Geräts bedeutet also nicht nur eine Unterbrechung im digitalen Leben, sondern auch einen potenziell aufwendigen und langwierigen Weg zur Wiederherstellung der digitalen Identität. Das fedpol ist zudem berechtigt, eine E-ID unverzüglich zu widerrufen, wenn ein begründeter Verdacht auf Missbrauch oder Erschleichung besteht oder die Sicherheit der E-ID nicht gewährleistet werden kann.
Die Illusion der Wahlfreiheit: Was ist mit der Privatwirtschaft?
Der Bund versichert unmissverständlich, dass die Nutzung der E-ID freiwillig und kostenlos ist und dass er sämtliche Dienstleistungen weiterhin auch analog anbieten wird. Das klingt beruhigend. Doch die entscheidende Lücke offenbart sich, wenn wir den Blick auf die Privatwirtschaft richten. Hier wird es komplizierter.
Das vorgeschlagene E-ID-Gesetz sieht zwar vor, dass andere Behörden und Unternehmen die staatliche Infrastruktur nutzen können, um eigene elektronische Nachweise anzubieten, aber das ist keine Verpflichtung, analoge Wege beizubehalten. Artikel 25 des E-ID-Gesetzes, der im Abstimmungstext erwähnt wird, besagt: «Wer die E-ID oder Teile davon als Nachweis akzeptiert, muss auch einen Ausweis nach Artikel 14 akzeptieren, wenn die Inhaberin oder der Inhaber persönlich erscheint.» Das bedeutet, dass jede Behörde oder Stelle, die öffentliche Aufgaben erfüllt und eine Identifizierung vornimmt, die E-ID akzeptieren muss, aber auch einen physischen Ausweis anerkennen muss, wenn die Person persönlich anwesend ist. Für die Privatwirtschaft, die die E-ID als Nachweis akzeptiert, gilt diese Akzeptanzpflicht für physische Ausweise ebenfalls.
Doch reicht das aus? Stellen wir uns vor: Sie wollen im Internet einen simplen Toaster bestellen. Eigentlich eine unkomplizierte Sache – doch plötzlich verlangt der Online-Shop zur Registrierung Ihre E-ID. Damit müssten Sie nicht nur Ihre Identität bestätigen, sondern auch sensible persönliche Daten preisgeben, nur um ein Küchengerät zu kaufen. Im Gesetz fehlt eine klare, unmissverständliche Garantie, dass die E-ID dauerhaft optional bleibt. Die Sorge: Zusätzliche Gebühren oder umständlichere analoge Bestellwege könnten die Menschen in die digitale Identifizierung drängen. Es entsteht ein faktischer Zwang, auch ohne formale Pflicht (Siehe COVID19-Impfung).
Die private Datensammelwut: Vom Profiling zum «AI-Clon»?
Das Datenschutzgesetz (DSG) schreibt vor:
- Rechtmässigkeit und Verhältnismässigkeit der Datenbearbeitung
- Zweckbindung: Daten nur für den angegebenen Zweck verwenden
- Freiwillige und informierte Einwilligung, insbesondere bei sensiblen Daten
Ob diese Regeln im Alltag tatsächlich verhindern, dass ein umfassendes Profiling entsteht, ist unklar – gerade wenn Nutzer stillschweigend AGB akzeptieren.
Fazit: Das Ringen um die digitale Zukunft
Die Debatte um die E-ID ist ein klares Beispiel für das Ringen um Macht und Kontrolle im digitalen Zeitalter. Der Staat versucht, eine effiziente und zukunftsfähige digitale Infrastruktur bereitzustellen, die den Bürgerinnen und Bürgern Vorteile bringen soll und durch das bestehende Datenschutzgesetz geschützt ist. Die Bevölkerung hingegen, insbesondere die Referendumskomitees, äussert tiefe Ängste vor Überwachung, Diskriminierung und dem Verlust der Selbstbestimmung durch eine potenziell übermächtige Allianz aus staatlichen und privaten Akteuren.
Es geht um die Balance zwischen Fortschritt und Freiheit:
- Pro E-ID: Effizienz, Sicherheit, digitale Souveränität
- Contra E-ID: Datenschutzrisiken, möglicher Zwang, technologische Abhängigkeit
Remember, remember, the 28th of September
Die Abstimmung im September 2025 ist mehr als eine technische Frage. Sie wird zeigen, wie viel Vertrauen die Schweizerinnen und Schweizer in ihren Staat haben – und wie die Balance zwischen digitalem Fortschritt und Datenschutz künftig aussehen soll. Will die Regierung dieses Vertrauen gewinnen, muss sie beweisen, dass digitale Dienste dem Wohl der Bevölkerung dienen und deren Sorgen ernst genommen werden.
Die E-ID soll Bürgern mehr Kontrolle über ihre Daten geben und den „gläsernen Bürger“ verhindern. Doch ebenso wichtig ist, dass der Staat selbst transparent agiert. Eine Regierung, die im Namen des Volkes handelt, darf nichts zu verbergen haben. Die Offenlegung von Quellcodes, die staatliche Kontrolle der Infrastruktur und die Aufsicht durch den EDÖB sind hier Schritte in die richtige Richtung.
Echte Demokratie lebt nicht nur vom Schutz der Privatsphäre, sondern auch von einer Regierung, die sich ihrer Verantwortung und Rechenschaftspflicht bewusst ist. Transparenz ist dabei der Schlüssel – sie stellt sicher, dass staatliche Macht stets im Sinne des Souveräns ausgeübt wird.
Das Volk sollte sich nicht vor seiner Regierung fürchten. Die Regierung sollte sich vor ihrem Volk fürchten.
V wie Vendetta
Quellen: